Die sechs großen Nordwände der Alpen
(Servus TV, 2012/13)
Noch auf der Everest-Expedition 2010 erzählten mir Gerald Salmina und Günther Göberl von der Serie „Bergwelten“ auf Servus TV, für die sie regelmäßig Beiträge produzierten, und fragten mich, ob ich als Autor und Alpinjournalist nicht weitere Geschichten für sie hätte. So entstand noch im gleichen Sommer das Konzept einer sechsteiligen Sendereihe über die großen Nordwände der Alpen. Da ich im Frühjahr 2011 abermals am Everest unterwegs war, verstärkte mein Kollege Tom Dauer das Team als Regisseur und Autor.
Rahmenhandlung einer jeden Folge war eine Durchsteigung der jeweiligen Nordwand durch heutige Spitzenalpinisten. Neben historischen Rückblenden stand jede Folge zudem unter einem Oberthema.
Alle sechs Folgen wurden später auch vom ZDF ausgestrahlt, unter dem Titel „Die dunkle Seite der Alpen“. 2016 entstand ein „Best of“ aller Folgen, „Die großen Nordwände“, welches den Fokus noch stärker auf die Bergsteiger und ihre Geschichten legt:
In der Servus TV-Mediathek: http://www.servustv.com/at/Medien/Bergwelten61
E01: Eiger-Nordwand – Die Wand der Wände
Oberthema dieser Folge ist die Herausforderung der Winterdurchsteigung einer der großen Nordwände vor dem Hintergrund der ersten freien Begehung der Eiger-Winterdirettissima (John-Harlin-Route) durch Robert Jasper und Roger Schäli.
Neben hautnahen Action-Aufnahmen aus dem Herzstück der Harlin-Route zeigt der Film Rückblicke auf die Tragödien während der Erstdurchsteigungsversuche in den 1930er-Jahren und die erfolgreiche Erstbegehung 1938 durch Anderl Heckmair & Co., kommentiert durch den renommierten Eiger-Historiker Rainer Rettner. Außerdem zeigt er erstmals in voller Länge den während der Winter-Erstbegehung der Heckmair-Route 1961 von Toni Hiebeler gedrehten Schmalfilm. Walter Almberger und Anderl Mannhardt, die noch lebenden Teilnehmer von damals, kommen zu Wort, wie auch die Teilnehmer an der Winterdirettissima 1966, Sir Christian Bonington und Roland Votteler. Höhepunkt der Winter-Direttissima-Geschichte ist die filmische Rekonstruktion der Todessturzes von John Harlin durch den britischen Bergfilmer Leo Dickinson und das wenig bekannte originale Filmmaterial von Peter Haag, dem damaligen Leiter des deutschen Direttissima-Teams.
Auf YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=MTlkyN9f0Nc
E02: Der zerfallene Berg – Die Petit-Dru-Nordwand
Ausgezeichnet mit der Kamera Alpin in Gold, Berg + Abenteuer Filmfestival Graz 2012
Berge gelten häufig als Sinnbild von Stabilität, Unveränderlichkeit, Ewigkeit. Doch auch Berge können sich verändern und sind der Dynamik von Entstehen und Vergehen unterworfen.
Die Aiguille du Dru im Montblancgebiet ist solch ein sich wandelnder Berg. Ihr Nordabsturz zählt zu den sechs klassischen Nordwänden der Alpen, während die angrenzende Westwand seit den 1950er-Jahren als Dorado der Extremkletterer gilt. Beide Wände wurden in den letzten drei Jahrzehnten wiederholt Schauplatz gewaltiger Bergstürze, welche existierende Kletterrouten großräumig umgestalteten oder gänzlich zerstörten.
Im Film dient die Veränderlichkeit der Dru als Metapher für den oft plötzlichen Wandel wie auch für die Entwicklungen, die ein Bergsteiger in seinem Leben durchlaufen kann.
Hauptprotagonisten sind der in Les Praz bei Chamonix lebende Engländer Andy Parkin und der Amerikaner Steve House, welche für den Film gemeinsam die Nordwand der Petit Dru durchsteigen. Parkin wurde 1984 bei einem Kletterunfall verletzt und startete danach eine neue Karriere als Künstler, wobei er vier Jahre nach dem Unfall wieder mit dem Bergsteigen begann und ihm schließlich extreme kombinierte Touren gelangen.
Steve House hat zu Beginn des 21. Jahrhunderts die Grenzen des Alpinstils an 7000ern und 8000ern im Himalaya mehrfach verschoben. Auch ihn veränderte ein Kletterunfall vor einigen Jahren wesentlich. Während Andy Parkin über die Kunst eine andere Ausdrucksform fand, veränderte sich Steve House innerlich und wurde von einem selbstbezogenen Individualisten zu einem Mentor für jüngere Bergsteiger.
Historisches Filmmaterial und Spielszenen werfen daneben Schlaglichter auf Höhepunkte in der Geschichte der Dru, wie die Erstdurchsteigung der Nordwand durch Pierre Allain und Raymond Leininger 1935 oder die spektakuläre Allein-Erstbegehung des Südwestpfeilers durch Walter Bonatti 1955.
In der Servus TV-Mediathek: http://www.servustv.com/at/Medien/Bergwelten13
E03: Zwischen Licht und Schatten – Piz Badile-Nordostwand
Die Folge ist eine Hommage an den österreichischen Ausnahmebergsteiger Hermann Buhl (Erstbesteiger des Nanga Parbat 1953), dem 1952 die erste Alleindurchsteigung der Piz Badile-Nordostwand gelang – wobei er die Strecke zum Berg und zurück ab Landeck mit dem Rad bewältigte (was ihm auf dem Rückweg wegen Übermüdung ein unfreiwilliges Bad im Inn beibrachte …). Für den Film folgt der junge österreichische Spitzenalpinist Hansjörg Auer den Spuren seines Idols, indem er ebenfalls mit dem Mountainbike zum Piz Badile fährt und die Nordostwand solo klettert.
Von den Pioniertaten eines weiteren Alleingängers am Piz Badile, dem Engadiner Bergführer Christian Klucker, erzählt der Alpinautor Marco Volken, während die dramatische und tragisch geendete Erstdurchsteigung der Nordostwand durch Riccardo Cassin (dargestellt vom österreichischen Spitzenbergsteiger Markus Pucher) und Gefährten 1937 in Spielszenen nachgestellt wird.
Das Leben von Hermann Buhl und sein Tod 1957 an der Chogolisa im Karakorum lassen sein Seilpartner Kurt Diemberger, seine Witwe Eugenie („Generl“) und Tochter Kriemhild Revue passieren – wobei gerade Buhls Verhältnis zu seinen Töchtern und die Konsequenzen seines Todes für die Familie zeigen, wie dicht Licht und Schatten im Leben eines Extrembergsteigers oft beieinander liegen.
In der Servus TV-Mediathek: http://www.servustv.com/at/Medien/Bergwelten24
E04: Drei Zinnen – Grenzen der Felskletterei
Die Drei Zinnen in den Dolomiten zählen zu den markantesten Berggestalten der Alpen, wenn nicht gar der Welt. Und an ihren Wänden lässt sich seit rund 150 Jahren die Entwicklung der Felskletterei ablesen.
Im Mittelpunkt des Films steht der Traunsteiner Alexander Huber, der mit zwei Marksteinen an den Nordwänden der Großen und Westlichen Zinne Klettergeschichte geschrieben hat: 2002 mit der seilfreien Begehung der „Hasse-Brandler“-Direttissima und 2007 mit der Erstbegehung von „Panaroma“, damals die schwierigste alpine Sportkletterroute (8c).
Eingebettet sind die Bilder der außergewöhnlichen Leistungen Hubers in die Entwicklungsgeschichte der Felskletterei an den Drei Zinnen, in der immer wieder bestehende Grenzen verschoben wurden: von der Erstbesteigung der Kleinen Zinne durch Michel und Johann Innerkofler 1881 über die Erstdurchsteigung der Große Zinne-Nordwand durch Emilio Comici und Gefährten 1933 bis zur Direttissima von 1958, von der Dietrich Hasse und Lothar Brandler (gest. 2016) berichten. Weitere Steigerungen wie die Große Zinne-„Superdirettissima“ 1963 oder das über 40 Meter ausladende Riesendach in der Westlichen Zinne-Nordwand 1968 zeigten aber, dass mit immer größerem Materialeinsatz praktisch jede Wand zu durchklettern ist und das Klettern dadurch in seiner Weiterentwicklung stagniert. Auch hier berichten zwei der damaligen Protagonisten, Rainer Kauschke und Gerhard Baur, von ihren Erlebnissen, illustriert von spektakulären Original-Filmaufnahmen. Der unvergessene Kurt Albert war es schließlich, der sich 1988 an die erste freie Begehung der alten, teils technisch gekletterten Direttissime wagte – von Gerhard Baur hinter der Kamera im „Schweizer Weg“ der Westlichen Zinne-Nordwand eindrucksvoll in Szene gesetzt. Damit war die Tür geöffnet für die großen Freikletterrouten von Alexander Huber, welche zwar den gegenwärtigen Höhepunkt, aber sicher nicht den Endpunkt der Entwicklung des Felskletterns an den Drei Zinnen darstellen.
Auf YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=m7nUlAddzcU
E05: Das letzte Wort hat der Berg – Matterhorn-Nordwand
Pioniertaten in jedem Bereich bedeuten eine Konfrontation mit dem Unbekannten und der Ungewissheit. Und sie beinhalten stets die Möglichkeit des Scheiterns.
Die Geschichte des Matterhorns, des wohl bekanntesten Berges der Welt, und seiner Nordwand ist reich an Pioniertaten, heroischen Versuchen und auch Tragödien – bis heute. Einer der modernen Pioniere am Matterhorn ist der junge Zermatter Bergführer Michi Lerjen. Der Film begleitet ihn und seinen Seilpartner, den Argentinier Jorge Ackermann, bei dem Versuch der Ein-Tages-Begehung der „Gogna-Cerruti-Route“, die durch den steilsten, abweisendsten Teil der Nordwand (der „Zmutt-Nase“) führt. Dabei dokumentiert erstmalig in dieser Sendereihe die Filmcrew ihre eigene, oft Schwindel erregende Arbeit an und über den Abgründen des Berges. Gezeigt werden neben der Flugkunst der Hubschrauberpiloten der Air Zermatt die Arbeit der Kameramänner Günther Göberl und Franz Hinterbrandner sowie die Versicherungsarbeiten durch die Bergführer Heli Putz, Martin Unterberger und Urs Lerjen.
Der historische Bogen des Films reicht von der Erstbesteigung des Matterhorns und der weltberühmten Tragödie 1865 über die ersten Versuche an der Nordwand und ihre Erstdurchsteigung 1931 bis zur Winter-Alleinbegehung einer Neuroute durch den italienischen Ausnahmebergsteiger Walter Bonatti 1965 und der Erstbegehung der Zmutt-Nase 1969, die von Alessandro Gogna selbst kommentiert wird. Auch kommen weitere berühmte Alleingänger zu Wort, wie die Französin Catherine Destivelle (1. Solo-Wiederholung der Bonatti-Route) oder der Schweizer Ueli Steck (Speedrekord auf der klassischen Nordwand-Führe).
Am Ende des Films steht für Bergsteiger wie Filmcrew die nach wie vor unumstößliche Erkenntnis: Das letzte Wort hat der Berg…
noch kein Trailer/Film verfügbar
E06: Selig, wer in Träumen stirbt – Grandes Jorasses-Nordwand
Der deutsche Bergsteiger Robert Steiner verunglückte im Winter 1997 als Zwanzigjähriger in der Grandes Jorasses-Nordwand schwer, musste über zwei Tage zwischen Leben und Tod hängend auf Rettung warten. Der Film begleitet ihn und seinen Seilpartner Felix Berg dabei, wie sie versuchen, die „Colton-MacIntyre-Route“ zu Ende zu klettern, in der Steiner damals weniger als 200 Meter unterhalb des Gipfels abgestürzt war.
Steiners Geschichte werden die Schicksale zweier Bergsteiger zur Seite gestellt, die ebenfalls in der Grandes Jorasses-Nordwand nur um Haaresbreite dem Tod entgangen waren und anschließend die Durchsteigung erfolgreich vollendeten: Der Deutsche Rudi Peters verlor 1934 seinen Seilpartner Rudi Haringer, der beim Rückzug von einem knapp gescheiterten Erstbegehungsversuch abstürzte. Ein Jahr später kehrte Peters zurück, und gemeinsam mit Martin Meier glückte ihm die Erstdurchsteigung der Nordwand über den „Croz-Pfeiler“. Der Franzose René Desmaison versuchte 1971, mit Serge Gousseault eine neue Route über die linke Seite des Walkerpfeilers zu legen. Nach 12 Tagen in der Wand starb Gousseault an Erschöpfung. Desmaison wird weitere drei Tage später mehr tot als lebendig aus der Wand gerettet. Zwei Jahre später vollendete er die Route mit Giorgio Bertone und Michel Claret.
Fast scheint es, als gelinge es auch Robert Steiner, den Kreis an den Grandes Jorasses zu schließen. Doch wenige Meter unter dem Gipfel löst sich unter seinen Füßen ein Felsblock und gibt dem Film, der Geschichte, eine unerwartete dramatische Wendung…
In der Servus TV-Mediathek: http://www.servustv.com/at/Medien/Bergwelten5